kein Anspruch auf sofortige Ersatzvornahme, selbst bei gravierenden Mängel


Verpfuschte Ausführung allein berechtigt nicht zur sofortigen Ersatzvornahme

 

OGH 28.06.2016, 8 Ob 101/15h

 

 

Vereinbart und geschuldet war die Sanierung eines Parkettbodens. Die Ausführung erfolgte jedoch äußerst mangelhaft.

 

Die Auftraggeberin rügte umgehend die mangelhafte Durchführung der Arbeiten und erklärte, dass sie angesichts des Ergebnisses Angst vor weiteren Schäden habe und ihr jedes weitere Eingreifen durch die Beklagte widerstrebe. Die Auftragnehmerin erklärte sich zur Behebung der Mängel bereit, wobei sie zunächst davon ausging, dass ein Zwischenschleifen und neuerliches Lackieren ausreichen würde.

 

Nachdem die Auftraggeberin ein Privatgutachten über den Zustand des Bodens einholte, kündigte sie der Auftragnehmerin an, die Verbesserungsarbeiten durch ein Drittunternehmen vornehmen lassen zu wollen. Die Beklagte erklärte sich daraufhin neuerlich bereit, alle notwendigen Schritte zur Mängelbehebung zu setzen, nötigenfalls auch an einem Wochenende.

 

Die Auftraggeberin ließ die Sanierung letztlich von einem anderen Unternehmen vornehmen. In der Klage begehrte sie von der Auftragnehmerin u.a. den Ersatz der für Mängelsanierung aufgewendeten Kosten.

 

Das Erstgericht sprach der Auftraggeberin lediglich jene Behebungskosten zu, die die Auftragnehmerin selbst aufwenden hätte müssen, wenn es ihr ermöglicht worden wäre, die fachgerechte Verbesserung mit ihren eigenen Leuten vorzunehmen. Gemäß § 932 Abs 2 und Abs 4 ABGB sei dem Auftragnehmer nämlich zunächst Gelegenheit zu geben, den vertragsgemäßen Zustand selbst herzustellen.

 

Ein Geldersatz für die Ersatzvornahme komme nur dann in Betracht, wenn Verbesserung oder Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vorgenommen würden, wenn sie mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer verbunden oder wenn sie ihm aus triftigen in der Person des Auftragnehmers liegenden Gründen unzumutbar seien.

 

Die Auftragnehmerin hat die Verbesserung angeboten, sodass ihr die Auftraggeberin einen Verbesserungsversuch hätte ermöglichen müssen. Ein in der Person der Auftragnehmerin liegender triftiger Grund, der die Verbesserung unzumutbar gemacht hätte, sei im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es wäre der Auftraggeberin zumutbar gewesen, einen Verbesserungsversuch zu ermöglichen, zumal es zwischen den Streitteilen bereits eine ältere Geschäftsbeziehung gegeben habe und frühere Aufträge völlig zufriedenstellend ausgeführt worden seien.

 

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der klagenden Auftraggeberin zurück.

 

Die Beurteilung, ob der Übernehmer einer mangelhaften Leistung triftige Gründe hatte, die es ihm unzumutbar machten, dem Übergeber einen Verbesserungsversuch einzuräumen (§ 932 Abs 4 ABGB), hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Die bloße Mangelhaftigkeit der Leistung allein reicht dafür noch nicht aus. Das gilt auch dann, wenn die Leistung besonders grobe Mängel aufwies, aber aus anderen Gründen – hier wegen der bisherigen guten Erfahrungen und der erklärten Kooperationsbereitschaft der Beklagten – noch kein endgültiger Vertrauensverlust anzunehmen war.

 

 

 

Anmerkungen zu obiger Entscheidung:

 

Nach dem Gewährleistungsrecht soll der Auftragnehmer grundsätzlich Gelegenheit erhalten mangelhafte Leistungen zunächst selbst zu beheben („Recht zur zweiten Andienung“).

 

Der Auftragnehmer soll also grundsätzlich eine „zweite Chance" erhalten, den vertragsgemäß geschuldeten Zustand herzustellen (8 Ob 14/08d mwN; RIS-Justiz RS0120246).

 

Räumt der Auftraggeber dem Auftragnehmer diese zweite Chance nicht ein oder macht er diese unmöglich, weil er ohne dazu berechtigt zu sein, den Mangel selbst oder durch einen Dritten behebt, so liegt ein Fall der sogenannten „voreiligen Ersatzvornahme“ vor.

 

In einem solchen Fall verliert der Auftraggeber zwar nicht den Ersatzanspruch an sich, er kann aber nur mehr jene Kosten begehren, die der Auftragnehmer hätte aufwenden müssen, wenn ihm die im Gesetz grundsätzlich vorgesehene „Chance zur zweiten Andienung" eingeräumt worden wäre. Der Auftragnehmer hat ihm daher nur seine Selbstkosten zu ersetzen.

 

Voller Geldersatz für die Ersatzvornahme kommt nur dann in Betracht, wenn der Auftragnehmer die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn sie mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Übernehmer verbunden oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Auftragnehmers liegenden Gründen unzumutbar sind.

 

Die Mangelhaftigkeit der Leistung allein, begründet noch keinen triftigen, in der Person des Auftragnehmers liegenden Grund. Es müsste sich schon um sicherheitsrelevante Umstände oder auch Fehler handeln, die eine besondere Sorglosigkeit und Nachlässigkeit des Auftragnehmers nahe legen.

 

In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass der Auftraggeber zwar durch die Fristsetzung die Verbesserung in zeitlicher Hinsicht beeinflussen kann, sonst aber über keine Einflussnahmemöglichkeit auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung verfügt (es sei denn im Vertrag wurde anderes festgelegt).

 

Es ist daher grundsätzlich Sache des Auftragnehmers, wie er die Verbesserung - wenngleich im Rahmen von Sachkunde und Vertragstreue - erbringt. Ein Weisungsrecht des Auftraggebers besteht insofern nicht.

 

Nur dann, wenn sich der Auftragnehmer zu ungeeigneten und/oder unzureichenden Verbesserungsarbeiten bereit erklärt, kann der Besteller die Vornahme der vom Gerichtssachverständigen im Einzelnen für zielführend und notwendig befundenen Verbesserungsarbeiten begehren (JBl 1984, 204).

 

Lehnt der Auftraggeber den Verbesserungsvorschlag des Auftragnehmers ab, und fordert stattdessen eine Verbesserung nach seinen Vorstellungen und Bedingungen, ist das insofern riskant, als der Auftraggeber zwar nicht den Verbesserungsanspruch an sich verliert, aber den Werklohn nicht mehr zurückbehalten darf, wenn sich herausstellt, dass der Verbesserungsvorschlag des Auftragnehmers an sich tauglich war.