Welche Gewährleistungsrechte bestehen bei optischen Mängeln oder sog. Schönheitsfehlern?

Niemand hat Freude mit kleinen Makeln und Schönheitsfehlern.

 

Immer wieder wird behauptet, dass bloße Schönheitsfehler am Gewerk nur einen Makel ohne Anspruch auf Behebung darstellen, solange sie keine Auswirkungen auf die Funktionstüchtigkeit des Gewerks haben. Es könne bei unverhältnismäßigen Kosten der Verbesserung daher höchstens eine (freilich geringe) Preisminderung verlangt werden.

 

Aber muss sich der Werkbesteller wirklich damit abfinden?

 

Diese Aussage kann jedenfalls nicht verallgemeinert werden. Der OGH hat bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass optische Mängel im Einzelfall zum Austausch oder zur Wandlung berechtigen.

 

In der Entscheidung 7 Ob 131/99m etwa begehrte der Kläger die Neuverfliesung seines ganzen Badezimmers, weil 5 Fliesen gesprungen waren. Es handelte sich um relativ teure Fliesen. 

 

Dem Einwand des Werkunternehmers, dass das Begehren auf Neuverfliesung unverhältnismäßig wäre, entgegnete der OGH:

 

"Lässt sich etwa jemand ein insbesondere auch mit Rücksicht auf optische Qualität besonders kostspieliges Werk errichten, kommt auch der Ästhetik eine gewisse Werksfunktion zu. Ist der störende optische Mangel nur mit hohem Aufwand beseitigbar, kann in einem solchen Fall der Besteller nicht darauf verwiesen werden, dass die Funktionalität ohnehin gewahrt sei."


Da Ersatzfliesen, mit denen eine Sanierung vorgenommen werden hätte können, nicht mehr erzeugt wurden - ihr italienischer Hersteller befand sich bereits im Konkurs - und auch keine Restbestände mehr vorhanden waren, billigte der OGH die Meinung der Vorinstanzen, eine taugliche Sanierung könne nur durch eine Neuverfliesung geschehen. 

 

Es muss sich aber nicht immer um ein kostspieliges Werk handeln.

 

Ein Wandlungs- oder Austauschanspruch kann auch bei qualitativ weniger hochwertigen, ja sogar bei billigen Produkte bestehen:
 

In der Entscheidung 7 Ob 151/11y hat der Kläger dem Beklagten den für die Lieferung und die Montage von 12 weißen Innentüren samt Zargen vereinbarten Preis bereits bezahlt. Alle Türen wiesen mehrere unbehebbare Mängel auf, die den ordnungsgemäßen Gebrauch zwar nicht hindern, aber grobe Schönheitsfehler darstellten.

 

Der Kläger begehrte nachträglich auf Basis der Gewährleistung Wandlung, das heißt, die Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrags.

 

Das Erstgericht erachtete das Wandlungsbegehren des Klägers als berechtigt und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Gegenforderung Zug um Zug gegen Rückgabe der Türen zurückzuzahlen.

 

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. 

 

Der OGH wies das dagegen erhobene Rechtsmittel des beklagten Unternehmens, das die Türen lieferte ab.

 

Zunächst wies der OGH darauf hin, dass die Frage, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel vorliege, immer eine Ermessensentscheidung darstelle, die von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhänge. Es sei dazu eine objektive Abwägung der Interessen der Vertragsparteien vorzunehmen; insbesondere sei dabei die „Schwere“ des Mangels zu berücksichtigen.

 

Sämtliche Türen wiesen folgende unbehebbare (oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand behebbare) Mängel auf:

 

Die Folienkanten der Türstöcke wurden vom Hersteller mit leichten Wellen aufgeleimt. Zusätzlich war der weiße Farbton dieser Kanten heller als die Lackierung der Türstöcke und Türblätter. Die aufgeleimten Profilleisten wurden nicht exakt geschliffen, wiesen Fräswellen auf und auch leichte Holzeinrisse. Dadurch war die Lackierung dieser Leisten leicht rau. Die Gehrungen der Falz- und Zierverkleidungen sowie der Profilleisten waren nicht flächenbündig bzw hatten die Profilleisten offene Gehrungsstöße. Schließlich waren offene Fugen bei den im Türstock eingenuteten Falz- und Zierverkleidungen vorhanden. Hier wurde keine passgenaue Nut gefräst. Die dadurch offenen Fugen traten bei der weißen Lackierung als schwarze Fugen stark sichtbar in Erscheinung. Diese Fugen wurden vom Erfüllungsgehilfen der Beklagten lediglich mittels weißen Silikons verschmiert. Diese Silikonstellen sind aber schmutzanfällig und lösten sich teilweise schuppenartig von der Lackfläche, weshalb das Silikon mit einem Lösungsmittel zu entfernen gewesen wäre, wonach allerdings die Fugen wieder sichtbar geworden wären.

 

Auch wenn es sich bei den Türen um keine qualitativ hochwertigen, sondern um billigere Produkte handelt, ist es dem Kläger im Hinblick auf diese zahlreichen, ins Auge fallenden optischen Mängel nicht zumutbar, derart mit Schönheitsfehlern behaftete Türen die nächsten Jahrzehnte lang (die Lebensdauer der Türen beträgt etwa 30 Jahre) in Gebrauch zu haben und dafür lediglich eine vom beigezogenen Sachverständigen mit 25 % (etwa 1.700 EUR) veranschlagte Preisminderung zu akzeptieren.

 

Im Übrigen hätten einige Türen trotz der von der Beklagten und ihrem Gehilfen unternommenen Verbesserungsversuche noch immer mehrere behebbare Mängel aufgewiesen und weigerte sich die Beklagte, diese Mängel zu beheben. Dies hätte ebenfalls zur Rechtfertigung des Wandlungsbegehrens geführt (§ 932 Abs 4 zweiter Satz ABGB).

 

Fazit:

Die Gewährleistungsansprüche Austausch und Wandlung bestehen grundsätzlich auch für bloß optische Mängel, selbst wenn sie Funktionalität des Gewerks nicht einschränken. Ob bei Vorliegen einzelner optischer Mängel Wandlung begehrt werden kann, hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Türen-Entscheidung ist hat die Vielzahl an Schönheitsfehlern einen wesentlicher eine Wandlung begründenden Mangel ergeben, sodass diese letztlich zu bejahen gewesen ist. Aber nicht jeder Kratzer, jeder Riss berechtigt den Bauherr Austausch oder Wandlung geltend machen zu können. Es empfiehlt sich vor der Geltendmachung eines Austausch- oder Wandlungsbegehrens, umfassend rechtlich beraten zu lassen.