Letzter Ausweg Zahlungstopp! Darf der Auftragnehmer die Arbeiten einstellen?

Vor einem Jahr war Willi noch überglücklich. Damals hat er den Vertrag mit Baumeister Kurt unterschrieben. Darin verpflichtet sich Kurt, Willis Traumhaus binnen anderthalb Jahren zu errichten und zu übergeben. Einzelne Gewerke will Willi in Eigenregie erbringen oder selbst an Drittfirmen vergeben. Willi war voller Vorfreude, schon bald wird er der muffigen Mietwohnung entfliehen können und die Füße auf seiner neuen Terrasse hochlegen.

 

 

Die Vertragsparteien vereinbarten, dass die Zahlung durch Legung monatlicher Teilrechnungen nach Baufortschritt erfolgen soll.

 

 

Zu Beginn der Baustelle lief auch alles vereinbarungsgemäß. Die Baugrube wurde ausgehoben, die Fundamente gelegt. Schnell standen die Kellerwände und die Decke war betoniert. Bauunternehmer Kurt legte vereinbarungsgemäß Abschlagsrechnungen über die erbrachten Leistungen und Bauherr Willi zahlte – mehr oder weniger - vollständig und pünktlich.

 

 

Doch dann kam Sand ins Getriebe. Probleme häuften sich. Nach einem 1 Jahr stockt der Bau. Die Bauabschnitte wurden nicht zu den geplanten Terminen fertig. Willi musste schon Handwerkstermine verschieben, weil die Vorarbeiten nicht so weit waren, wie vereinbart. Zudem hat Bauherr Willi grobe Mängel entdeckt, die sein Vertrauen in die Fähigkeiten von Bauunternehmer Kurt schwinden lassen. Willi befürchtet, dass der vereinbarte Fertigstellungstermin nicht eingehalten wird und er daher länger zur Miete in seiner alte Wohnung bleiben muss.

 

 

Es kommt wie es kommen muss: Bauherr Willi rügt die mangelhaften Arbeiten, drängt den Bauunternehmer auf fristgerechte Fertigstellung und droht sämtliche Zahlungen einzustellen, bis alle Mängel saniert und die Baustelle terminlich wieder auf Schiene gebracht ist.

 

 

Bauunternehmer Kurt sieht das ganz anders. Seiner Ansicht nach hat Willi den Verzug verursacht, weil er durch seine permanenten Kontrollen und Prüfungen seine Mannschaft am Arbeiten behinderte. Soweit Mängel bestehen, sind diese höchsten geringfügiger Natur und würde er diese noch vor der Übergabe beheben. Er droht nun vielmehr damit, die Baustelle einzustellen, wenn die Bezahlung der letzten Rechnung ausbleibt.

 

 

Beide fühlen sich im Recht, doch sie sind auch ein wenig unsicher. Wer aber hat nun aber Recht?

 

 

Nach der Vergütungsvereinbarung kann Bauunternehmer Kurt Teilrechnungen nach dem Baufortschritt legen.

 

 

Nach dem Werkvertragsrecht wäre Kurts Werklohn grundsätzlich erst nach Vollendung des Gewerks zu entrichten. Diese Vorleistungspflicht wird vor allem bei längeren Bauvorhaben nicht praxisgerecht empfunden, vor allem, weil der Bauunternehmer das Vorfinanzierungsrisiko in seine Preise einrechnen müsste, was wiederum die Preise erhöhen würde. Es ist daher üblich, Zahlungsvereinbarungen zu treffen, wonach der Bauunternehmer Teilrechnungen legen darf.

 

 

Die Rechtsprechung wertet eine solche Regelung als Vereinbarungen zur Vorschussleistung auf den Werklohnanspruch, der nach § 1170 ABGB grundsätzlich erst nach Fertigstellung des Gewerks fällig wird.

 

 

Bei vom Bauherrn auf Teilrechnungen geleisteten Abschlagszahlungen handelt es sich somit - rechtlich - nur um Vorauszahlungen auf den noch nicht fällig gewordenen Werklohn. Die Vereinbarung von Vorschüssen ändert nichts daran, dass gemäß § 1170 erster Satz ABGB das volle Entgelt in der Regel nach vollendetem Werk zu entrichten ist.

 

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Vorauszahlung zwar meist eine Anzahlung auf etwas künftig zu Leistendes verstanden. Aus rechtlicher Sicht gelten Vorauszahlungen auch bereits erbrachte Leistungen vor Fälligwerden der entsprechenden Forderungen vorweg ab.

 

 

Weil der Bauherr somit vorschusspflichtig ist, steht ihm  das Recht auf Leistungsverweigerung nach § 1052 erster Satz ABGB wegen zu behebender Mängel aber nicht zu.

 

 

Etwas anders wäre der Fall gelagert, wenn die Errichtung des Werkes nach dem Wortlaut des § 1170 2. Satz ABGB in „gewissen Abteilungen“ erfolgen würde und keine andere Vergütungsregelung (zB nach Baufortschritt) im Vertrag getroffen wurde. Dann und nur dann wäre der Bauherr hinsichtlich solcherart gelegter Teilrechnungen berechtigt, Abschlagszahlungen wegen Mängel zu verweigern.

 

 

Doch Vorsicht! Wann eine Werkerrichtung in „gewissen Abteilungen“ vorliegt, kann nicht generell  beantwortet werden. Bei den „Abteilungen“ muss es sich schon um voneinander unabhängige selbstständige einzelne „Gewerke“ handeln. Keinesfalls darf es um aufeinander aufbauende Teilleistungen bei der Errichtung des gesamten Bauvorhabens gehen.

 

Halten wir als Zwischenergebnis fest: Die Vereinbarung nach Baufortschritt abrechnen zu dürfen macht Bauherrn Willi vorleistungspflichtig. Er kann daher nicht die Abschlagszahlung wegen Bestehens behebbarer Mängeln einbehalten.

 

Doch was passiert, wenn Willi stur bleibt und die Zahlung trotzdem einbehält. Darf Baumeister Kurt die Baustelle einstellen und seine Mannschaft abziehen?

 

Selbst wenn der Bauherr hinsichtlich vereinbarter Abschlagszahlungen vorleistungspflichtig ist, bleibt umgekehrt auch der Bauunternehmer dem Bauherrn gegenüber hinsichtlich der Werkerrichtung vorleistungspflichtig. Der Bauunternehmer kann daher nicht nach § 1052 erster Satz ABGB seine Leistung verweigern, nur weil der Bauherr mit den Zahlungen säumig ist.

 

 

Bauunternehmer Kurt ist somit ebenso nicht berechtigt seine Leistungen einzustellen, nur weil Willi nicht zahlt. Tut er es trotzdem, könnte Willi sogar vom Vertrag zurücktreten. Die Drohung mit dem Baustopp könnte daher rasch zum Bumerang werden.

 

Vorschüsse aus fälligen Teilrechnungen sind aber sehr wohl eigenständig einklagbar. Wie oben gezeigt, selbst dann, wenn Mängel vorliegen.

 

Bauunternehmer Kurt sollte daher besser seine Forderung einklagen, anstatt seine Leute abzuziehen.

 

 

Im Ergebnis heißt das, dass weder Willi die Zahlungen wegen Mängeln einbehalten, noch Kurt den Bau einstellen darf.

 

 

Offen bleibt die Frage, was Bauherr Willi unternehmen kann, wenn wirklich Mängel bestehen, Bauunternehmer Kurt sich aber nicht einsichtig zeigt?

 

 

Zum einen sollte Willi Kurt darauf hinweisen, dass er bei Fertigstellung jedenfalls die Schlusszahlung verweigern wird, sollte Kurt die Mängel nicht gleich beheben. Da bei Schlusszahlung der Werklohnanspruch fällig geworden ist, steht Bauherrn Willi nunmehr die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 1052 erster Satz ABGB zur Verfügung. Er darf somit den gesamten noch ausständigen Werklohn bis zur vollständigen Erfüllung zurückbehalten. Je höher der voraussichtlich verbleibende Schlusszahlungsbetrag, desto eher wird der Druck auf Bauunternehmer Kurt lasten, die Mängelbehebung vornehmen.

 

 

Auch könnte Willi ankündigen die Übernahme zu verweigern oder - bei Vorliegen bestimmter Bedingungen - den Rücktritt vom Vertrag erklären.

 

 

Insgesamt wäre es für Bauherrn Willi aber günstiger gelaufen, hätte er bereits im Vertrag vereinbart, dass Abschlagszahlungen bei Mängeln zurückbehalten werden dürfen.

 

 

Quellen: 10Ob12/14h; 7Ob183/08z; 4Ob105/12p; RS0019881